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Sonntagsgeschichte: Mit dem weißen Schiff zum Kongo- es war Sehnsucht nach der Ferne
2024-12-02 HaiPress
Die Grund- und Hauptschule schloss ich zu Beginn der lebendigen 60er Jahre ab. Bands wie die Beatles und die Rolling Stones waren die musikalische Untermalung unserer fast ungestümen Reise ins Erwachsenenleben. Nach der Schule ging es in die Ausbildung als Glasmacher. Diese Tätigkeit war zwar interessant aber nach einigen Jahren beendete ich diese Arbeit. Ein wachsendes Fernweh zog mich dann zur Seefahrt hin.
Ich machte mich auf den Weg nach Bremen,um ein Schiff zu finden,mit dem ich als Crewmitglied in die Ferne segeln konnte. Es war jedoch nicht so einfach,da Qualifizierungen notwendig waren. Nachdem ich diesen Sachverhalt erkannt hatte,begann ich einen Ausbildungskurs an der ÖTV Seefahrtsschule in Bremen.
Bootsmann Mau,ein erfahrener Seebär,der bereits auf Großseglern die Welt umsegelt hat,leitete unser Seminar. Zuvor war er bereits Bootsmann auf dem zivilen Segelschulschiff Deutschland,das im regulären Ausbildungsbetrieb genutzt wurde. An seinem ständigen Liegeplatz an der Kleinen Weser in Bremen-Woltmershausen fungierte es als stationäre Seemannsschule,wo die gesetzlich vorgeschriebene praktische Vorausbildung für nautische Schiffsoffiziersanwärter stattfand. Jeder,der im Decksdienst zur See fahren wollte,musste eine solche Ausbildung absolvieren. Über Jahrzehnte hinweg wurden auf dem Segelschulschiff „Schulschiff Deutschland“ Ausbildungen durchgeführt,und viele junge Menschen machten hier ihre ersten Schritte zum Seemann. Diese Herausforderung wurde auch bewältigt. Mit dem Zeugnis bewaffnet,begab ich mich zum Seemansamt im Hafenhochhaus über dem Überseehafen,um die erforderlichen Seefahrtsdokumente zu erhalten. Auf dem Weg dorthin fielen mir die zahlreichen Hafenkneipen und -bars auf,die offensichtlich viel zu bieten hatten. Doch mein Hauptanliegen war das unverzichtbare Seefahrtsbuch und ein Gesundheitszeugnis. Außerdem war ein Impfpass notwendig,der die vorgeschriebenen Impfungen gegen Gelbfieber,Cholera und Pocken für Reisen nach Afrika belegte. Damit ging es dann zur Heuerstelle.
Die erste Reise stand bevor,da ein Schiff sofort zur Verfügung stand. Die MS Neptun,betrieben von der DG Neptun,wurde mir angeboten,und ich akzeptierte. Der exquisite Innenausbau aus Edelholz vermittelte ein unbestreitbares Gefühl von Wohlsein. Eine vierzigköpfige Besatzung für seemännische Dienste und Maschinenbetrieb,sowie der Luxus eines Kochs und Bäckers an Bord. Das Schiff hatte zudem eine besondere Ausstattung: Zwölf Passagierkabinen,die Gästen Einblicke in das Leben auf See gewährten. Die Route ging von Bremen über Rotterdam nach Dakar zum Auftanken. Die Fracht bestand aus Düngemitteln,Gelände- und Baufahrzeugen sowie einer großen Menge Heineken-Bier.
Die Arbeit erfolgte in einem Vier-Stunden-Rhythmus. Beispielsweise auch als Rudergänger auf der Brücke zusammen mit einem nautischen Offizier. Die Charaktere dieser Typen waren sehr verschieden,manche angenehm und manche weniger. Ich erinnere mich gut an eine Person – ein eigenartiger Kerl,dessen Spitzname „Spinnebein“ war,weil er so dünne Beine wie eine Spinne hatte. Ein besonders makaberes Ereignis sorgte dafür,dass ich ihn nicht vergessen konnte. Der Messesteward,der den Ersten Offizier mit Kaffee versorgen musste,verschüttete meistens etwas,sodass die Tasse nie ganz voll war. Als Rudergänger beobachtete ich,wie er regelmäßig dafür getadelt wurde. Es kursiert eine Geschichte über ähnliche Begebenheiten auf einem anderen Schiff. Dort war nach dem letzten Tadel die Kaffeetasse stets voll. Der Wachhabende war zufrieden. Was war geschehen? Kurz vor Reiseende brachte der Steward wie gewohnt den Kaffee,ohne zu kleckern. Plötzlich fragte er den Offizier,ob er erfahren möchte,wie es ihm nun gelang,die Tasse immer voll zu halten. Nach der Aufforderung zur Erklärung nahm der Steward einen kräftigen Schluck aus der Tasse und demonstrierte,wie er den Kaffee vor dem Betreten der Brücke und bei der Übergabe an den Schiffsoffizier zurück in die Tasse spuckte. Eine unappetitliche Geschichte – ob sie wahr ist oder nur Seemannsgarn,bleibt offen.
Doch die Rolle des Rudergängers war nur eine der vielen Pflichten im Decksdienst. Zu den Aufgaben zählten das Waschen der Farbe,das Klopfen von Rost,das Streichen sowie das Fetten der Stahlseile am Masten – der Bootsmann hatte stets eine Vielzahl von Tätigkeiten parat.
Die Tage auf dem Meer dehnten sich,und die tägliche Routine stellte sich ein. Wir waren lange auf See,doch schließlich wurden die ersten Anzeichen Afrikas sichtbar. Die Kapverdischen Inseln erhoben sich aus dem Meer. Das bedeutete,dass es nur noch eine kurze Zeit bis Dakar war,um dort Treibstoff aufzunehmen. Nachdem wir angelegt hatten,näherten sich sofort die Tanker und verbanden ihre Schläuche mit unserem Tank. Während des Betankens hatten wir die Gelegenheit,die vielen farbenfrohen Fischerboote zu beobachten,wie sie zum Fischen ausliefen. Es war erstaunlich,mit welch kleinen Holzbooten diese Menschen auf das offene Meer hinausfuhren.
So nebenbei hatten sich unzählige Händler an unserem Schiff eingefunden. Fast alles hatten sie im Angebot:Ölbilder,präparierte Kaimane,Elfenbeinschnitzereien und anderes.
Nach dem Bunkern setzten wir unsere Reise zügig fort – Pointe-Noire in der Republik Kongo war das nächste Ziel. In jedem Land kamen die Behörden an Bord: Zoll,Polizei und andere Institutionen erfüllten ihre Aufgaben,und nach dem Löschen ging die Reise weiter.
Nach Belgisch Kongo soll es gehen. (Danach Zaire,Demokratische Republik Kongo) Auf dem Kongo,einem der strömungsreichsten Flüsse bis Matadi in das Landesinnere,soweit ist der Fluß für Hochseeschiffe befahrbar. Eine Hafenstadt in den Berg hineingebaut. Das Schiff war festgemacht und für uns „Grünschnäbel“ gab es den ersten Landgang. Nachdem wir das Taxi einen uralten amerikanischen Straßenkreuzer etwa 1,5 Kilometer den Berg hochgeschoben hatten,weil angeblich der Sprit ausgegangen war,und nach dem wir dann vermutlich den zehnfachen Preis bezahlt hatten sind wir in einer Hüttensiedlung angekommen. Rhythmische Musik klang aus einer dieser Hütten. Die Mädchen hatten schon auf uns gewartet,und nach zwei oder drei 1Liter Flaschen Kongolesischen Bier (1 Liter Flaschen) waren wir durchaus in der Lage einen afrikanischen Tanz zu wagen. Zu später Stunde stand dann plötzlich ein großer Schwarzer vor uns,und im bayrischen Dialekt sprach er uns an: Servus miteinander- so seine Worte. Natürlich wussten wir zur fortgeschrittener Stunde nicht mehr so genau ob der große Schwarze tatsächlich bayrisch mit uns geredet hat,oder ob das Kongobier ernste Nebenwirkungen hatte. Soviel sei gesagt,der Mann hat tatsächlich in unserer Sprache gesprochen,und das hatte er in Bayern während eines Studiums so gelernt.
Es wurde ausgiebig weiter gefeiert und „Primus“ das kongolesische Bier sorgte für den Rhythmus. Den Rückweg mussten wir zu Fuß gehen weil unsere Kongowährung hatten wir verprasst.
Nach einer zweitägigen Liegezeit setzten wir unsere Reise nach Angola fort. Luanda und Lobito waren unsere Ziele in dieser noch portugiesischen Kolonie,wo eine starke Militärpräsenz sowohl zu Wasser als auch an Land sichtbar war. Die Unabhängigkeitsbestrebungen in Angola und Mosambik hatten die Wachsamkeit der Portugiesen erhöht.
In Luanda,einer herrlichen Stadt mit Palmen gesäumten Stränden,genossen wir erneut Landurlaub. Wir luden Kupfer und Kakao in Angola und machten uns dann auf den Rückweg.
Pointe Noire war unser nächstes Ziel,wo wir afrikanische Edelhölzer luden. Anschließend ging es weiter nach Dakar zum Bunkern von Treibstoff,bevor wir die lange Reise nach Bremen antraten. Im Holzhafen wurde gelöscht und danach musterten wir sofort ab,denn das Schiff wurde in das Ausland verkauft.
Die Sehnsucht nach der Ferne und das Verlangen nach Abenteuern war vorerst hinreichend gestillt. Starke Stürme,harte Arbeit und kritische Begegnungen mit den Militärs hatten gelegentlich für eine angespannte Atmosphäre gesorgt.
Nach einer großen Feier folgte der Urlaub und die Rückkehr zur Heuerstelle im Hafenhochhaus. Es sollte ein neues Schiff für ein neues Fahrgebiet gefunden werden.
Alfred Brandner
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